Nachhaltigkeit ist in der IT deshalb ein so wichtiges Thema, weil sie große Hebelwirkung auf den CO2-Ausstoß des gesamten Unternehmens hat. Randstad Digital geht die Reduktion des CO2-Fußabdrucks bei seinen Kunden deshalb mit einer dreifachen Strategie an: Erstens gilt es, die Unternehmen fit für das vielzitierte ESG-Reporting zu machen. Zweitens packt das neu aufgestellte Beratungs- und IT-Dienstleistungshaus das Thema in jedem Software-Projekt an, welches es bei seinen Kunden durchführt. Und drittens optimiert Randstad Digital Systemlandschaften, um den CO2-Footprint der IT-Systeme selbst zu reduzieren. Kurzum: CO2-Reduktion durch IT, mit IT und durch Transparenz.

Die Software bestimmt den Energieverbrauch

Fast jeder Prozess und jeder Geschäftsbereich ist heute IT-gestützt und häufig automatisiert (oder zumindest teilautomatisiert). In der Regel bedeutet das: Software bestimmt die Abläufe bis in die kleinste Verästelung des Unternehmens. In den Programmen wird festgelegt, welche Maschinen wann und in welcher Weise eingesetzt werden und an welchen Standorten mit welchen Mitteln produziert wird.

Software bestimmt mittlerweile auch die Logistik, Wege, Fahrzeuge und sogar die Verpackungen, durch die Produkte auf den Markt und an den Kunden gelangen. Das gilt umso mehr, je automatisierter ein Prozess abläuft und je intensiver er durch KI unterstützt wird. Im letzteren Fall sind die Prämissen der KI in den Modellen hinterlegt, nach denen sie die Lieferwege und Kosten optimiert.

ESG: Ein Blick in den Rückspiegel auf dem Weg zur Nachhaltigkeit

 „Software eats your CO2-Footprint for breakfast“ (frei nach Peter Drucker) – Wenn man dieser These zustimmt, ist es von größter Bedeutung, Software zu entwickeln, die zum einen selbst energiesparend arbeitet und zum anderen fachlich so gestaltet ist, dass sie in allen Fachbereichen des Unternehmens dabei hilft, Energie zu sparen.

Weniger dringlich erscheint in diesem Lichte dagegen, ein geeignetes Monitoring zu entwickeln, das den Energieverbrauch nur in allen Verästelungen messen, ihn aber nicht reduzieren kann. Zumindest erscheint es sinnvoller, dies im zweiten Schritt zu tun und nicht im ersten.

„Alle schauen auf das ESG und damit in den Rückspiegel. Wir schauen auf die Zukunft und konzentrieren uns deshalb, CO2-Reduktion projektbegleitend zu realisieren“, erklärt Patrick Arnold, CTO des internationalen IT- und Softwareberaters Randstad Digital.

Das ist keine Behauptung, sondern gelebte Projektrealität bei Randstad Digital, zu dessen Kern die Entwicklung kundenspezifischer IT-Anwendungen gehört. In einem Projekt für MAN, das Randstad Digital auf AWS-Infrastruktur realisierte, wurden zum Beispiel nicht nur die Kosten, sondern auch der CO2-Footprint um 20 Prozent gesenkt – und das ging so:

20 Prozent CO2-Einsparung in MAN-Projekt

Ab 2023 tritt für die rund 50.000 LKW ab 7,5 Tonnen, die MAN pro Jahr produziert, ein Gesetz aus dem Jahr 2017 in Kraft. Es schreibt vor, dass alle in der Europäischen Union verkauften Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen öffentlich Emissionsinformationen anzeigen müssen, die mit dem Vehicle Energy Consumption Calculation Tool (VECTO) der Europäischen Kommission berechnet wurden. VECTO simuliert die CO2-Emissionen und den Kraftstoffverbrauch für jedes einzelne Fahrzeug. Es verwendet detaillierte Daten des Herstellers wie Luftwiderstand, Getriebereibung und Motorleistung.

Gemeinsam bauten MAN und Randstad Digital VECTO in die bestehende Produktlogik von MAN ein, eine Art computergeschriebenes Handbuch, das die Konfigurationsdetails jedes Lkws bis hin zur kleinsten Schraube enthält. Randstad Digital teilte die Daten in 18 verschiedene Module auf, die in 80 Containern liefen und 1,2 Millionen Berechnungen pro Jahr über eine On-Prem-Infrastruktur.

Die Lösung erforderte leistungsstarke Maschinen mit hohem CPU- und Speicherbedarf, um die intensiven VECTO-Simulationen zu bewältigen. Diese können bis zu 90 Sekunden pro Berechnung dauern. Im Frühjahr 2022 suchte das Unternehmen nach einer Lösung, die nachhaltiger und besser zu verwalten ist. Die Wahl fiel am Ende auf eine Public-Cloud-Infrastruktur, was nicht gerade überrascht.

On-Prem-Lösung auf AWS-Cloud migriert

Randstad Digital entschied sich für ein „Lift and Shift“ der Architektur in die Cloud, ohne zunächst wesentliche Änderungen an den Anwendungen vorzunehmen. Es migrierte die Module auf Cloud-native, quelloffene Payara-Server. Diese Payara-Server laufen in Containern auf Amazon Elastic Container Service (Amazon ECS), einem vollständig verwalteten Container-Orchestrierungsdienst, der die Bereitstellung, Verwaltung und Skalierung von containerisierten Anwendungen in einem Unternehmen vereinfacht.

Randstad Digital hat den betrieblichen Aufwand weiter reduziert, indem AWS Fargate integriert wurde. Das ist eine Compute Engine, die es ermöglicht, sich auf die Entwicklung von Applikationen zu konzentrieren, weil sie die Serververwaltung automatisiert.

Randstad Digital baute einen speziellen Caching-Service innerhalb der Anwendung auf AWS auf und verarbeitet nun 35.000 VETCO-Berechnungen pro Monat.  Durch den Betrieb der verkleinerten Infrastruktur auf AWS konnte MAN die Kosten um 20 Prozent senken und einen entsprechenden Nachhaltigkeitsvorteil erzielen. "Wir haben die Kosten um 20 Prozent gesenkt und schätzungsweise auch die CO2-Emissionen um mindestens 20 Prozent reduziert, weil wir weniger Strom verbrauchen als die Mainframes, die vorher im Einsatz waren", sagt Kevin Humphries, Senior Consultant für IT und Business bei Randstad Digital. Die Berechnungen laufen nicht kontinuierlich, sondern nach Bedarf, und die Infrastruktur passt sich genau dem Bedarf an.

Datentöpfe liefern Grundlagen für mehr Energieeffizienz

Für einen weiteren Kunden aus dem Automobilsektor wird Randstad Digital ein Data Mesh entwickeln. Auch bei diesem mehrjährigen Projekt spielt ein möglichst niedriger CO2-Verbrauch eine wichtige Rolle. Zum Beispiel werden innerhalb des Projekts auch Daten bereitgestellt und analysiert, die das Fahrverhalten der PKW-Kunden analysieren, um ihnen auf dieser Basis wiederum attraktive Versicherungskonditionen anzubieten.

Hier verbindet sich Nachhaltigkeit mit Geschäftsinteressen und Vertragsgestaltung. Ein weiteres Beispiel sind Datensammlung und Analyse für die Lieferketten des Automobilherstellers. Damit lassen sich nicht nur Engpässe analysieren, sondern auch der Materialfluss effizienter und damit energiesparender gestalten. Ähnliches bietet sich bei Datenprodukten an, die Predictive Maintenance und Produktionseffizienz unterstützen.

Ausschließlich auf Energieersparnis zielen Datenprodukte ab, in denen der Energieverbrauch von Anlagen analysiert wird. Dies lässt sich anschließend als Grundlage für Energieeffizienzmaßnahmen heranziehen. Andere Datentöpfe innerhalb des Data Mesh Projekts lassen sich ebenfalls nutzen, um mehr Nachhaltigkeit zu erzielen: Lieferkettenverfolgung, Nachfrageprognosen, Transportoptimierung und Lagerplatzoptimierung, um nur einige zu nennen.

Green Coding Guideline eingeführt

Um solche und andere Softwareprojekte dem eigenen Anspruch auf CO2-Reduktion gemäß stemmen zu können, hat Randstad Digital außerdem eine Green Coding Guideline entwickelt, die auf sämtlichen neuen Softwareprojekte angewendet wird. Dazu wurde zunächst analysiert, welche Software-Implementierungen aus welcher Infrastruktur mit welchen Datentypen bestimmte Operationen am effizientesten ausführen. Am Ende gibt die Coding Guideline den Entwicklern und Software-Architekten Auskunft darüber, welche Implementationen und Datentypen am besten (sprich energieeffizient) für bestimmte Aufgaben geeignet sind.

„Wir sind uns sehr sicher, dass Software-Implementierungen einer der entscheidenden Hebel sind, damit Unternehmen nachhaltiger agieren können. Aus zwei Gründen: Zum einen, weil unterschiedlich entwickelte Software unterschiedlich viel Energie benötigt, um auf Rechnern ausgeführt zu werden. Zweitens, und dieser Hebel ist ungleich größer, weil die Regeln, nach denen ein Unternehmen arbeitet und wirtschaftet, in Software hinterlegt sind“, erklärt Arnold. „Als ein Unternehmen, das kundespezifische Software-Applikationen entwickelt, sind wir prädestiniert dafür, diese Regeln in unserem Code zu implementieren“, fährt er fort.

Mit dieser Einschätzung ist Arnold nicht allein. In einem Beitrag für das Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) verweisen die Autoren Dr. Joachim Weber und Bernd Rauch vom Department of Architecture Centric Engineering auf zwei portugiesische Forscher, die 27 Programmiersprachen auf ihre Energieeffizienz hin untersucht haben.

Dabei liegt der Unterschied zwischen der energieeffizientesten Sprache C und der am wenigsten energieeffizienten Sprache Python bei rund 4.000 Prozent. Weber und Rauch bringen dies in einem sehr anschaulichen Vergleich auf den Punkt: „Wenn ein Auto, das die Sprache C repräsentiert, 5 l Benzin pro 100 km verbraucht, benötigt das Python-Auto unglaubliche 200 l pro 100 km oder mehr.“

Dieser Vergleich ist natürlich nicht ganz korrekt, weil C und Python sehr unterschiedlich eingesetzt werden. Aber er macht auch deutlich, dass es riesige Unterschiede beim Energieverbrauch von Code gibt und es deshalb wichtig ist, die Programmierung zu wählen, die nicht nur der jeweiligen Aufgabe gewachsen ist, sondern auch die geringste Energie verbraucht.

Weitere Quellen: