Interview mit Michael Berens, Gewinner des diesjährigen CIO des Jahres Innovation Awards

Randstad Digital ist stolzer Ambassador des „CIO des Jahres Innovation Award“. In diesem Jahr wurde Michael Berens ausgezeichnet, der als Leiter IT & Organisation bei der Solarlux GmbH tätig ist. Mit der Einführung der Automatisierungsplattform „OptAb“ hat Michael Berens die Jury überzeugt.

Dank der selbst entwickelten Lösung spart Solarlux – ein Hidden Champion für die Fertigung von Gebäudekomponenten bei zahlreichen Geschäftsprozessen manuellen Aufwand ein.

Wir haben mit Michael Berens über den Hintergrund des Projekts und die Vorteile der Lösung gesprochen.
 

Randstad Digital: Um die Leser etwas näher mit Ihrer Person vertraut zu machen, könnten Sie kurz Ihren beruflichen Hintergrund sowie Ihre Rolle als IT-Leiter bei Solarlux erläutern?

Michael Berens: Von meinen insgesamt 27 Berufsjahren in der IT bin ich bereits acht Jahre für die Solarlux GmbH tätig, bei der ich seit meinem Start in 2015 den Bereich IT und Organisation verantworte. In einem Konzern würde dies der Rolle eines CIOs entsprechen. Seit meinem Maschinenbaustudium liegt mein inhaltlicher Fokus auf Prozessen. Dieser Hintergrund prägt auch meine Sichtweise auf die Digitalisierung. Die IT ist für mich ein perfekter Werkzeugkasten für schlanke Geschäftsprozesse.

Bei Solarlux war ich zu Beginn vor allem damit beschäftigt die IT neu zu organisieren und den Kunden, den Internen sowie auch Externen, in den Focus zu stellen. Mittlerweile haben sich meine Aufgaben vor allem im Hinblick auf IT-Organisation und Prozess-Digitalisierung erweitert. Premisse ist, es gibt nur noch Business-Projekte. D.h. es ist in jedem Digitaliserungsprojekt jemand aus dem Business, als Process- oder Project-Owner, Teil des Projektteams. Hier stehen immer geschäftliche Ziele im Vordergrund, was auch für unser prämiertes Projekt ausschlaggebend war.

Auch von unserer Seite noch einmal herzlichen Glückwunsch zum „CIO des Jahres Innovation Award“! Erzählen Sie uns bitte mehr über Ihre innovativen Automatisierungsprojekte und die selbstentwickelte RPA-Software, mit denen Sie diese Auszeichnung erhalten haben.

Ich fange am besten ganz von vorne an. Als ich zu Solarlux gekommen bin, hatten wir noch eine klassische On-Demand-IT. Lösungen wurden nach Anfrage und Bedarf bereitgestellt, aber nicht, um Geschäftsprozesse proaktiv mitzugestalten. Dies haben wir grundlegend reorganisiert. Mittlerweile arbeiten wir mit Service-Katalogen, einer Configuration Management Database (CMDB) sowie Service Desks. Die IT-Abteilung haben wir damit deutlich näher bei den Anwendern positioniert.

Außerdem haben wir eine agile Transformation durchgeführt. Und zwar mit allem, was dazu gehört – wie zum Beispiel Kanban, Scrum, Whiteboards und Daily- und Weekly-Meetings. Mittlerweile haben wir einen hohen Reifegrad bei der Agilität erreicht. Schon seit mehreren Jahren arbeiten wir mit DevOps. Und die Entwicklung der eigenen Softwarelösungen findet bei uns Cloud-native statt.

Die IT richtet sich seither konsequent an den Business-Anforderungen aus. Wir haben nicht zuletzt auch das Mindset verankert, dass unsere IT die Kolleginnen und Kollegen der Fachabteilungen als „interne Kunden“ versteht und dementsprechend dienstleistungsorientiert mit ihnen zusammenarbeitet.

All dies sind grundlegende Voraussetzungen auf dem Weg zu einer erfolgreichen Automatisierungslösung. Mit der Entwicklung unserer hauseigenen RPA-Plattform „OptAb“, kurz für „Optimierte Auftragsbearbeitung“, haben wir vor etwa vier Jahren begonnen. Das Ziel war, eine zentrale Plattform zu schaffen, mit der sich alle im Unternehmen verwendeten Lösungen persistent automatisieren lassen. Somit ist es möglich, auch komplexe Unternehmensprozesse zu automatisieren.

Das Wichtigste zu Beginn der Umsetzung war eine Bestandsaufnahme der Prozesse und die daraus entstandene Realisierung eines MVP (Minimum Viable Product). Optab arbeitet mit einem Ampelsystem, um die Automatisierung für den jeweiligen Prozess oder Auftrag digital zu begleiten. Bei Aufträgen, die noch fehlerhaft sind, zeigt die Ampel gelb oder rot an. Hier ist in der Regel ein manuelles Eingreifen erforderlich. Steht die Ampel hingegen auf grün, läuft der Auftrag automatisch durch.

Die Lösung hat sich mittlerweile gut bei uns etabliert. Die Anzahl der Aufträge und Anwendungsfälle wächst kontinuierlich. Unser Ziel ist es natürlich, so viele Prozesse und Aufträge wie möglich ohne manuellen Eingriff über unsere Automatisierungsplattform abzuwickeln.

Wie haben Sie und Ihr Team es geschafft, Solarlux in eine Vorreiterrolle im Bereich der Automatisierung und Digitalisierung zu bringen? Was waren die Schlüsselmomente auf diesem Weg?

Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg war es, die Mitarbeiter mitzunehmen und von der neuen Herangehensweise zu überzeugen. Sie sollten dabei von „Betroffenen“ zu Mitgestaltern werden. Auch Vorbehalte, ob bestimmte Tätigkeiten oder sogar Arbeitsplätze wegfallen, waren dabei zu adressieren. Ist die Akzeptanz aber erst einmal vorhanden, hilft dies bei der Einführung und Weiterentwicklung enorm.

Im Zuge der Einführung haben wir unser agiles Vorgehen außerdem durch einen klassischen Projektplan ergänzt. Darin haben wir mehrere Ausbaustufen definiert, die Schritt für Schritt zu erreichen waren. Somit hatten wir auch auf der übergeordneten Planungsebene eine Übersicht über den Fortschritt und die bisher erreichten Ziele. Gerade bei einer umfassenden Transformation ist dies eine sinnvolle Ergänzung zum agilen Ansatz, um alle Beteiligten gut zu informieren und mitzunehmen.

Sie planen aktuell, KI zur Verarbeitung des Auftragseingangs einzusetzen. Welche Vorteile versprechen Sie sich hiervon?

Bei dieser Lösung ging es im ersten Schritt darum, handschriftliche Bestelldokumente auszulesen und zu digitalisieren. Wir haben bereits vor mehreren Jahren an einer entsprechenden Lösung gearbeitet. Die Resultate waren damals noch nicht zufriedenstellend. Durch Fortschritte in der KI basierten Bild-Text-Verarbeitung gibt es inzwischen mehr Möglichkeiten, die Dokumente konsistent auszulesen.

Daran schließt sich ein weiterer Lösungsansatz an. Ich nenne ihn “Speech-to-Text-to Configure”. Wir können so aus gesprochenem Text direkt die Konfigurationsmerkmale speisen und haben so einen einfachen Zugang zur komplexen Konfiguratoroberflächen, um bspw. mal schnell eine Preisindikation zu erstellen. Die in den Konfigurator eingegebenen Auftragsdaten können auch direkt in eine Augmented-Reality-Lösung fließen, um virtuelle Projektionen nach den Wünschen unserer Kunden zu erstellen... 

Darüber hinaus arbeiten wir aktuell an einem Forschungsprojekt in Kooperation mit einer Hochschule. Hierfür stellen wir historische Konfigurationsdaten aus unseren Aufträgen anonymisiert bereit. Das Ziel ist, ein KI-Modell zu trainieren, das Daten bei nicht-validen Aufträgen ergänzen kann. Die KI wählt dabei auf Grundlage der historischen Trainingsdaten die plausibelste Ergänzung aus. Somit lässt sich ein signifikanter manueller Aufwand einsparen, um unvollständige Aufträge zu bearbeiten.

Welche Herausforderungen und Visionen im Bereich der Digitalisierung sehen Sie generell in den kommenden Jahren? Welche Technologien werden dabei besonders wichtig werden?

Grundsätzlich sehe ich bei KI große Chancen, aber auch Herausforderungen. Wo liegt das richtige Maß, wann ist es zu viel? Wir müssen noch lernen, die Grenzen und Möglichkeiten dieser faszinierenden Technologie richtig einzuschätzen.

Auch die Arbeit an der IT-Sicherheit ist nicht mehr wegzudenken. Das gilt auch bei selbst entwickelter Software, wie wir sie bei Solarlux im Einsatz haben. Als innovatives Industrieunternehmen hat für uns der Schutz unseres geistigen Eigentums und der Kundendaten höchste Priorität.

In unserer RPA-Plattform sehen wir außerdem noch viel weiteres Potenzial. Es sind noch so viele Eingaben und Clicks zu automatisieren, da wird es in Zukunft bestimmt nicht langweilig werden .

 Zu guter Letzt, werden unsere Software-Lösungen auch für unsere Kunden immer interessanter und dadurch wird sich auch das Geschäftsmodell teilweise verändern. Bisher hat sich unser Vertrieb auf die physischen Solarlux Produkte konzentriert. Es wird in Zukunft auch darum gehen, den Kunden und auch den Endkunden unterstützende Applikationen anzubieten. Generell ist zu sagen, dass unsere selbst entwickelten Lösungen auch für andere Unternehmen interessant sind und teilweise jetzt schon von diesen genutzt werden – z.B. unsere Service-App oder unser Konfigurator "PrimeFact“.

Herr Berens, wir danken Ihnen für diese spannenden Einblicke!